Die Eingewöhnungsmodelle im Überblick

Eingewöhnungen werden seit den 80er Jahren nach Modellen durchgeführt, die sich auf die beschriebenen Forschungen beziehen. Das Berliner Eingewöhnungsmodell war das erste Modell und damals eine echte Revolution. Denn bis dato wurden Kinder nicht nach bestimmten Vorgaben, sondern nur nach Bauchgefühl eingewöhnt. Es folgte das Münchener Modell, welches eine längere Eingewöhnung vorsah. Aktuell werden das Peergroup Eingewöhnungsmodell und das partizipatorische Eingewöhnungsmodell diskutiert und in Kitas implementiert. Heute ist es die Pflicht einer jeden Krippe und Kindertagesstätte, ein Eigewöhnungskonzept vorzulegen – welche Errungenschaft! Es steht schwarz auf weiß, dass kein Kind mehr einfach so unter Weinen am ersten Tag der außerfamiliären Betreuung abgegeben werden darf.

Um einen Überblick über bestehende Eingewöhnungskonzepte zu erhalten, sollen an dieser Stelle alle bekannten Eingewöhnungsmodelle in Kürze vorgestellt werden.

 

“Es wird schwierig, wenn Eingewöhnungsmodelle zu starr angewandt und insbesondere, wenn sie falsch verstanden werden.”

Wedewardt 2023, S. 40

 

Das Berliner Eingewöhnungsmodell

Das Berliner Eingewöhnungsmodell (vgl. Laewen u.a., 2009) wurde in den 80er Jahren von Hans Joachim Laewen, Beate Andres und Éva Hédervári-Heller entwickelt. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass bis heute jede Einrichtung ein Konzept zur Eingewöhnung vorlegen muss.

Das Modell ist gut erforscht und in seiner Struktur leicht verstehbar. Studien an der Freien Universität Berlin zeigten deutlich positive Effekte des Berliner Eingewöhnungsmodells zum Eingewöhnungsvorgehen vor dem Modell. Nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell eingewöhnte Kinder wiesen beispielsweise insgesamt ein größeres Wohlbefinden und weniger Kranksein auf.

  • Die theoretische Grundlage des Berliner Eingewöhnungsmodells bildet die Bindungstheorie nach John Bowlby. So ist erstmals vorgesehen, dass in der Eingewöhnung eine begleitende, bekannte Bindungsperson mit in der Eingewöhnung bleibt und so als sichere Basis für das Kind zur Verfügung steht, bis das Kind eine neue Bindung zur Bezugsfachkraft aufgebaut hat. Im Berliner Eingewöhnungsmodell steht also der Beziehungsaufbau einer pädagogischen Fachkraft zu einem Kind im Fokus. Das feinfühlige Erspüren, Verstehen und Beantworten von Bedürfnissen des Kindes durch die pädagogische Fachkraft bildet das Fundament für den Beziehungsaufbau. Sobald das Kind die pädagogische Fachkraft als sichere Basis akzeptiert, kann sich die begleitende Person schrittweise zurückziehen.

    Die drei klassischen Bindungsmuster „sicher“, „unsicher-ambivalent“ und „unsicher vermeidend“ können im Berliner Eingewöhnungsmodell als Hilfestellung genutzt werden, um die Eingewöhnungsdauer einzuschätzen und das fachliche Vorgehen anzupassen (vgl. Laewen u.a. 2009, S. 27ff.).

  • Die Dauer einer Eingewöhnung nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell soll 6 bis 14 Tage benötigen, im Einzelfall auch bis zu drei Wochen. Es wird deutlich gemacht, dass jedes Kind in seinem eigenen Tempo eingewöhnt werden und über seine Eingewöhnung mitbestimmen soll. Bindungserfahrungen, kindliche Temperamente und Vorerfahrungen des Kindes sollen in Trennungssituationen berücksichtigt werden. Im Berliner Eingewöhnungsmodell wird ein detaillierter Ablaufplan beschrieben. Die Schritte der Eingewöhnung im Berliner Eingewöhnungsmodell sind folgende (vgl. Dreyer 2017, S 83):

    1. Vorbereitungsphase: Persönliches Kennenlernen und rechtzeitig Informationen über die erwartete Beteiligung der Eltern am Eingewöhnungsprozess sowie dessen Gestaltung

    2. Grundphase: 3 Tage: Die Bindungsperson bleibt mit dem Kind ca. 1 bis 2 Stunden in der Kita. Sie soll sich eher passiv verhalten und an einem Ort den “sicheren Hafen” für das Kind bilden. Es findet eine vorsichtige Kontaktaufnahme der pädagogische Fachkraft zum Kind statt, zum Beispiel in Form eines Spielangebots.

    3. Erster Trennungsversuch am 3. Tag. Die erste Trennung wird am dritten Tag durchgeführt. Die gezeigte Reaktion des Kindes entscheidet folglich über die Dauer der Eingewöhnungszeit. Lässt sich das Kind nach kurzer Zeit von der PF beruhigen, kann die Trennungsdauer auf 30 Minuten ausgedehnt werden. Die Länge der Eingewöhnung soll nun ca. 6 Tage dauern. Lässt sich das Kind nach kurzer Zeit nicht oder nur schwer von der pädagogische Fachkraft beruhigen, wirkt es verstört, zeigt eine erstarrte Körperhaltung oder wirkt passiv, wird die Trennung abgebrochen und eine längere Eingewöhnung von ca. 2 bis 3 Woche eingeplant.

    4. Stabilisierungsphase: Bei einer kurzen Eingewöhnung übernimmt die pädagogische Fachkraft im Beisein der Bindungsperson die Pflege-, Wickel- und Fütteraufgaben. Die Trennungsdauer wird auf ca. 1 Stunde ausgedehnt. Auch das Schlafen soll nun versucht werden. Es wird empfohlen, dass das Schlafenlegen und Aufwachen im Beisein der Bindungsperson geschieht. Ab dem 6. Tag ist der vollständige Aufenthalt des Kindes ohne Bindungsperson vorgesehen.

    5 Schlussphase: Im Plan wird angegeben, dass die Bindungsperson nach der 2. Woche nicht mehr in der Einrichtung, aber jederzeit erreichbar sein soll.

 

Das Münchener Eingewöhnungsmodell

Das Münchener Eingewöhnungsmodell (vgl. Winner & Erndt-Doll, 2009) wurde auf der Grundlage eines Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Kuno Beller, zwischen 1987 und 1991, in München entwickelt. Als theoretische Zugänge wurden hier nicht die Bindungstheorie, sondern die Transitionsforschung, die Säuglingsforschung und die Erfahrungen aus der Reggiopädagogik herangezogen.

  • Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell, das in Anlehnung an die Bindungstheorie Kinder eher noch als hilflose Wesen sah, fußte das Münchener Eingewöhnungsmodell auf dem Bild eines kompetenten Kindes, das seine Entwicklung selbst steuern kann. Das Konzept der Transition beschreibt Kinder also als fähige Wesen, die Übergängen nicht hilflos ausgesetzt sind, sondern diese mit der Unterstützung von außen aus eigener Kraft bewältigen und aktiv mitgestalten können. Ihnen wird die Kompetenz zugesprochen, für sich selbst sorgen zu können und zu zeigen, welche Unterstützung sie bei der Bewältigung benötigen. Ziel ist es, dass das Kind gestärkt aus der Übergangserfahrung hervorgeht.

    Die Transitionstheorie geht davon aus, dass Kinder ihre Erfahrungen mit Übergängen, also auch die mit der Eingewöhnung, auf folgende andere Übergänge in ihrem Leben übertragen. Gerade weil die Eingewöhnung in eine Krippe oder Kindertagespflege für die meisten Kinder der erste große Übergang in ihrem Leben darstellt, kommt diesem Übergang eine große Bedeutung zu.

    Um eine positive Erfahrungen ermöglichen zu können, benötigt ein Kind, der Transitionstheorie zufolge, Unterstützung von außen. Die begleitenden Personen, Kind, Eltern, pädagogische Fachkraft aber auch der Kindergruppe spielen im Münchener Modell eine wichtige Rolle. Anders als im Berliner Eingewöhnungsmodell ist ein systemischer Blick relevant, der das soziale Netz der Eltern, deren familiäre Voraussetzungen und auch das gesamte Team der Einrichtung mit einbezieht (vgl. Griebel & Niesel, 2004). Das Wohlbefinden des einzugewöhnen Kindes wird folglich auch im Kontext der Kindergruppe gesehen. Es steht nicht ausschließlich die einzelne PF in Beziehung zum Kind im Vordergrund, sondern das gesamte Setting. Die Eingewöhnung findet also im Alltag der Betreuungseinrichtung statt und nicht separiert. Im Gegensatz zum Berliner Eingewöhnungsmodell ist ein Wechsel der Bezugspersonen während der Eingewöhnung möglich. Es wird davon ausgegangen, dass das Kind zu mehreren Personen Bindungen aufbauen kann. So erhält das Kind die Möglichkeit, seine Bezugsfachkraft selbst zu wählen.

    Ziel des Münchner Eingewöhnungsmodells ist die positive Erfahrung des Kindes, einen Übergang bewältigen zu können und diese Erfahrung auf kommende Übergänge übertragen zu können.

  • 1. Vorbereitungsphase

    2. Kennenlernphase

    3. Sicherheitsphase

    4. Vertrauensphase

    5. Phase der gemeinsamen Auswertung und Reflektion

    Nach allen organisatorischen und vorzubereitenden Maßnahmen und einem ersten Kennenlerngespräch in der Vorbereitungsphase, startet die Kennenlernphase, die sich im Wesentlichen vom Berliner Eingewöhnungsmodell unterscheidet. Eltern und Kind verbringen täglich 2 Stunden bis zu einem halben Tag in der Einrichtung und können selbstbestimmt alles kennenlernen. Es wird ausdrücklich betont, dass viel Zeit in der Einrichtung wichtig sei, um die Eingewöhnung voranzubringen. Nur kurze Besuche von etwa 1 Stunde würden die Eingewöhnung eher hemmen (vgl. Winner & Erndt-Doll 2009, S. 52). Eltern haben die Möglichkeit, sich frei zu bewegen und sich nicht still und unbeteiligt an einen Ort zu setzen. Der Fokus liegt eher auf dem Erfahren und Verinnerlichen von räumlichen und strukturellen Gegebenheiten als auf der individuellen Beziehungsentwicklung zu einer pädagogischen Fachkraft als Basis. Es geht darum, Sicherheit zu gewinnen über das Kennenlernen der anwesenden Personen, Räume, Strukturen und Abläufe. Während der Kennenlernphase hält sich die pädagogische Fachkraft zurück und die Hauptverantwortung liegt noch bei der begleitenden Bezugsperson. Die Kennenlernphase umfasst ca. 1 Woche.

    In der Sicherheitsphase soll das Kind mit der Begleitperson bereits die Zeit in der Einrichtung bleiben, die es anschließend dort verbringen soll. Die Idee ist, dass das Kind so den gesamten strukturellen Ablauf verinnerlicht und auf diese Weise Sicherheit erfährt. Ziel ist es nun, dass sowohl das Kind als auch die Eltern so viel Sicherheit gewinnen, dass sie sich voneinander trennen können. Die begleitende Fachkraft nutzt die Beobachtungen und Erfahrungen aus der Anfangsphase, um das Kind nun passend zu begleiten – zu wissen, was ihm Sicherheit gibt, welche Interessen es hat und was ihm gut tut. Die begleitende pädagogische Fachkraft übernimmt nun mehr Betreuungsaufgaben und nähert sich dem Kind weiter an. Die Begleitperson bleibt jedoch weiterhin mit in der Einrichtung und der sichere Hafen. Die pädagogische Fachkraft versucht nach und nach eine verlässliche Beziehung zum Kind herzustellen, hegt aber nicht den Anspruch des Berliner Eingewöhnungsmodells, eine Bindung aufbauen zu müssen. Der zeitliche Rahmen für die Sicherheitsphase soll 6 Tage betragen: von Montag bis Montag. Mit dem Montag soll nach dem Wochenende keine neue Phase eingeläutet werden: So bekommt das Kind am Anfang der Woche die Chance, mit dem bereits bekannten Vorgehen erstmal wieder anzukommen. In der Phase “Vertrauen aufbauen” liegt der Fokus darauf, dass das Kind sowohl zu den pädagogischen Fachkräften, zu den Kindern und in die Institution Vertrauen aufbaut. Ein erster Trennungsversuch sollte erst am 6. Tag erfolgen. Ein besonderes Augenmerk soll auf das Verhalten des Kindes vor und nach der Trennung gelegt werden. Kontinuierlich tauschen sich die pädagogischen Fachkräfte und Eltern über die Reaktionen und das Verhalten des Kindes aus. Empfohlen wird, die erste Trennung nicht zu lange zu machen. Die Begleitperson sollte zurückkehren, ehe das Kind ängstlich wird. Zeigt das Kind keine Trennungsängste, beträgt die Trennungszeit ca. 30 bis 60 Minuten. Je nachdem, wie gut sich das Kind beruhigen lässt, kann die Zeit in den Folgetagen ausgedehnt werden. Zum Abschluss wird der Eingewöhnungsprozess in der Phase “Eingewöhnung auswerten” mit allen Beteiligten in einem Gespräch reflektiert. Dazu wird ein Interviewleitfaden empfohlen mit Reflexionsfragen (vgl. Winner & Erndt-Doll 2009, S.86)

    Einrichtungen, die nach dem Münchener Modell eingewöhnen, nehmen sich durchschnittlich insgesamt mehr Zeit für die Eingewöhnung als Einrichtungen, die sich am Berliner Modell orientieren. Die angestrebte Dauer der Eingewöhnung nach dem Münchener Modell beträgt 12 plus 3 Tage, 12 Tage “Kennelernen” und “Sicherheit gewinnen” und 3 Tage “Vertrauen aufbauen”. Wichtiger als die Anzahl der Tage sei jedoch die Anzahl der Stunden, die das Kind in der Eingewöhnung in der Einrichtung verbringt. Kurze Besuche würden dem Münchner Modell zufolge dem Kind nicht helfen, in der Einrichtung anzukommen.

 

Alle weiteren Modelle kannst du dir in diesem Dokument herunterladen:

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