Essen mit Freude - Entspannte Essensgestaltung

Originaltext erschien in der Kita-Zeitschrift “Klein & Groß” 05/2021

 

Das Thema Essen wird in Einrichtungen häufig als herausfordernd und konfliktreich empfunden. Die Rahmenbedingungen in den Kitas sind sehr unterschiedlich und alle haben ein Ziel: Essen soll für alle Beteiligten eine angenehme Alltagssituation sein, in der sich alle wohl fühlen. Wie die Gestaltung von Mahlzeiten mit Freude und ohne Druck gelingen kann, wird im Folgenden beschrieben.

Nach dem Händewaschen kommen die Kinder nach und nach im Kinderrestaurant an.

In Kleingruppen finden sie sich an den Tischen ein. Liebevoll hat heute die dreijährige Marta mit der pädagogischen Fachkraft Lisa eingedeckt. Das Besteck liegt über dem Teller, damit auch jedes Kind, frei entscheiden kann, ob es dieses mit der rechten oder linken Hand nehmen möchte. In der Mitte des Tisches steht in kleinen Schüsseln serviert das Essen. Heute gibt es Reis und Hähnchen und dazu etwas Gemüse. Das Wasser steht in kleinen Kännchen bereit, so dass sich jedes Kind selbst in die kleinen Gläser einschenken kann. Greta findet es duftet wundervoll. Tim blickt eher skeptisch, denn er mag eigentlich nur die Dinge, die seine Mutter kocht. Heute war er bei der Gemüsezubereitung dabei und möchte auf jeden Fall mal probieren. Luise ruft fröhlich: „Guck mal Lisa, heute gibt es dein Lieblingsessen.“ Langsam tun sich die Kinder ihr Essen auf die Teller, Lisa begleitet, wenn gewünscht. Sie sagen sich einen guten Appetit und beginnen etwas zeitversetzt mit dem Essen. Gewartet wurde heute schon genug, nun darf der Hunger genüsslich gestillt werden.

Die Essensituation ist von Kita zu Kita sehr individuell geregelt.

Während einige Kitas selbst kochen und die Kinder an dem Speiseplan, dem Einkauf und der Zubereitung beteiligt werden, werden andere Einrichtungen vom Caterer beliefert. Einige Kindergruppen verfügen über ein Kinderrestaurant, andere essen im Gruppenraum. So verschieden die Bedingungen auch sind, alle Einrichtungen sollen die gleiche Herausforderung bestmöglich erfüllen: Die Aufnahme von Essen und Trinken soll als eine angenehme und gesundheitsfördernde Alltagssituation verstanden werden, in der die Kinder selbstbestimmt handeln und bedürfnisorientiert begleitet werden (vgl. Preissing/Schneider 2009, 40).

Damit diese Zeit für alle beteiligten Personen als angenehm empfunden werden kann, gilt es wichtige Dinge, wie die Haltung der Fachkräfte, der Einfluss des sozialen Lernens, die eigenen Glaubenssätze und die Zusammenarbeit mit den Eltern in den Blick zu nehmen.

Die Haltung der Fachkräfte

In der beschriebenen Kita war es lange Zeit an der Tagesordnung, dass alle Kinder probieren müssen und beispielsweise immer gemeinsam mit dem Essen begonnen wird. Auch das Essen mit den Händen war lange Zeit tabu. Als die Fachkraft Lisa in die Einrichtung kam, motivierte sie die Kolleg*innen sich an einem Teamtag mit dem Thema neu auseinanderzusetzen. Motiviert machten sie sich an die Arbeit und seither befinden sie sich in einem wichtigen und stetigen Entwicklungsprozess. Sie haben damit begonnen, alte Glaubenssätze zu hinterfragen und ihre Vision zu verschriftlichen. Für alle stand fest: Sie möchten, dass jedes Kind mit Freude und Begeisterung die Essenszeit genießen kann.

Auf einem Poster notierten sie Sätze, wie:

  • Essen ist freiwillig und ein Genuss.

  • Jedes Kind entscheidet, was es essen möchte und wie viel.

  • Kinder werden an der Auswahl und Zubereitung des Essens beteiligt.

  • Die Erwachsenen sind Vorbilder und leben eine positive Esskultur vor.

  • Nein heißt Nein und wird respektiert.

  • Wir achten auf eine bewusste Sprache und dürfen gemeinsam lernen.

In dem Teamtag tauchten viele Fragen und auch Sorgen auf, denen das Kita-Team nachging. Gabi vermutete, dass einige Kinder nur noch Brot und Nudeln essen würden und die Essenssituation außer Rand und Band laufen würde. Sorgen, die es ernst zu nehmen gilt und sowohl selbstreflexiv wie auch entwicklungspsychologisch betrachtet werden sollten.

Der Wissenschaftler und Kinderarzt Herbert Renz-Polster schreibt, dass wenn Kinder sich wohl und sicher fühlen, so sind sie grundsätzlich am Essen interessiert und bereit Neues auszuprobieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass Kinder ihre Nahrung nach der Sicherheit beurteilen und Saures und Bitteres daher kritisch bewerten. Sie bevorzugen süße, eiweißhaltige und fettreiche Nahrung, da sie als energiereiche und problemfreie Nahrung gilt. Werden sie nun zum Probieren gezwungen, so setzt möglicherweise der Garcia-Effekt ein. Dieser besagt, dass Lebensmittel, die beim Menschen zu Übelkeit und Erbrechen führen, grundsätzlich abgelehnt werden. Dafür ist bereits ein Erlebnis ausreichend und insbesondere Kinder meiden diese Lebensmittel dann ein Leben lang (vgl. Renz-Polster 2013, 21ff.). Daher ist es so wichtig, dass Kinder sich sicher fühlen und mit eigenem Interesse probieren, wenn sie sich dazu bereit fühlen. Zudem gibt es Kinder, die grundsätzlich misstrauisch gegenüber Neuem sind. Mit ungefähr eineinhalb Jahren steigert sich dieses Misstrauen, während sie sich mit acht bis zwölf Jahren, mit zunehmender Reifung der Organe, wieder für Abgelehntes öffnen (vgl. ebd., 23).

 

Die Fachkraft Gabi war überaus überrascht über diese Erkenntnisse und dankbar, denn dadurch möchte sie zukünftig die Kinder achtsamer begleiten. Sie selbst mag keinen Rosenkohl, da sie diesen in der Kita früher essen musste und erinnert sich schmerzlich an die Erfahrung. Ihre Kollegin Lisa schlug vor, dass die Kinder sich nur das Essen auf die Teller tun, was sie selbst wünschen. Denn auch der alleinige Anblick von nicht gewünschtem Essen auf dem eigenen Teller löst bei einigen Kindern schon Unbehagen oder Ekel aus. Sie möchte dafür kleine extra Probierteller bereitstellen, da sie hörte, dass diese Tellerchen in der Partnerkita wohlwollend von den Kindern angenommen wurden und das Probieren erleichterte.

 

Du entscheidest …

Fachkräfte können die Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen, denn es geht beim Essen um mehr als nur darum, satt zu werden. Sowohl gute Vorbilder wie auch die Gewöhnung tragen maßgeblich zur Erweiterung des Speiseplans bei. Gewöhnen können Kinder sich, wenn ihnen bestimmte Nahrungsmittel öfter angeboten werden. Anbieten bedeutet nicht, Kinder zu überreden, zu füttern oder gar zu zwingen. Auch eine Bestechung mit dem Nachtisch oder eine Verhandlung ist kontraproduktiv.

 

An dieser Stelle fragt sich die Fachkraft Gabi, wie sie zukünftig damit umgehen soll, damit die Kinder am Ende nicht nur den Nachtisch essen ohne überhaupt die Suppe probiert zu haben. Auch hier hat Lisa eine Idee. Sie findet es wichtig, dass Kinder eine bestimmte Auswahl vorfinden. Schmeckt ihnen die Suppe nicht oder trauen sie sich nicht, diese zu probieren, so sollten sie noch weitere Nahrungsmittel vorfinden, die sie dann ohne Einschränkungen essen dürfen, wie beispielsweise Brot und Obst. Den Nachtisch würde sie vom Mittagsplan abkapseln und nach der Ausruhzeit zum Nachmittagssnack anbieten. Nach einer längeren Diskussion im Team sind alle bereit, diese Veränderungen auszuprobieren.

 

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